Erzähltes

Hier veröffentliche ich kurze Geschichten über Dinge, Tiere und Menschen, die mich bewegten und die ich aufschreiben wollte, um sie nicht zu vergessen. Wenn sie nun auch den Leser unterhalten, so habe ich sie nicht nur für mich aufgeschrieben.
:)


Ein Morgen der besonderen Art

 

Es ist Mai. In diesem Jahr ist es sehr spät warm geworden. Ich liege im Bett sehe durch die Dachfenster endlich die grünen Spitzen an den Linden vorm Haus. Die vergangenen Tage waren schön warm und sonnig und somit hat die Natur endlich ihren grünenden Mantel angelegt. Wie schön!

 

 

Wie ich mich so recke und meinen Gedanken nachhänge, höre ich das allmorgendliche Miauen unserer Katze Mauz. Sie schleicht wie immer ums Bett bis ans Kopfende und tut kund, dass sie da ist. Ihr Ruf fordert mich auf, ihr die gewünschten Streicheleinheiten zu Tagesbeginn angedeihen zu lassen. Ich freue mich jeden Morgen mit welcher Hingabe sie die Zuwendung genießt. Es dauert nicht lange, dann ist ihr Bedarf gestillt und sie widmet sich wieder ihren spontanen Eingebungen wie schlafen, fressen oder jagen.

 

 

Daraufhin drehe ich mich nochmal um und döse vor mich hin. Das Vogelgezwitscher dringt durch die geöffneten Dachfenster und sorgt für eine heitere Stimmung. Wie herrlich, im Bett zu liegen und vor mich hin zu dämmern.

 

 

Ich muss nochmal kurz eingenickt gewesen sein, als ich plötzlich einen dumpfen Aufschlag höre. Erschrocken setze ich mich auf und sehe die Katze vor meinem Bett sitzen. In ihrem Maul zappelt ein Star. Von diesem Anblick vollkommen entsetzt schreie ich laut auf, werfe mir das Deckbett über den Kopf und bin kopflos darüber, was sich vor meinem Bett abspielen wird. Durch den Schrei kommt mein Mann aus dem angrenzenden Badezimmer gelaufen. Nun sollen wir zu zweit die Beute vom Dach bewundern. Meine heftige Reaktion hat die Katze so verunsichert, dass sie den Vogel freigab und er durch das Dachfenster entkommen konnte. Welch Glück für ihn.

 

 

Schon Tage vorher haben wir beobachtet, dass Mauz auf dem Dach herumspaziert. Sie springt durch ein offenes Fenster und kommt durch ein anderes wieder ins Haus. Dass sie sich auf diese Weise ihrer Beute ganz geschickt nähert, haben wir erst hierdurch bemerkt.

 

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Kurze Begegnung im Zug

Was für ein herrlicher Sommertag, denkt Maja als sie im Zug sitzt. Seit vier Jahren wohnen sie und ihr Mann in diesem kleinen Dorf nahe der Großstadt. Vieles wurde hier in den letzten Jahren geschlossen, aber die Bahnlinie gibt es zum Glück noch. Wenn sie in die Stadt fährt, nimmt sie immer den Zug dorthin. Sie genießt die Fahrt über die Wiesen und Felder, so mitten durch die  Natur zu fahren gibt ihr ein gutes Gefühl.

 

Es ist Samstag, Majas Mann ist seit zwei Wochen zur Kur und sie mag heute nicht allein sein und hat sich  deshalb mit ihrer Tochter in der Stadt verabredet.

 

Der Zug ist recht leer - von einem großen Landwirtschaftsmarkt kommend ist hier seine zweite Station auf der Fahrt in die Metropole.

 

Dieser Landwirtschaftsmarkt ist mehr eine Attraktion für die Großstädter, die sich dort an den Wochenenden tummeln und das sogenannte Landleben in vollen Zügen genießen möchten. Dort gibt es Kühe, Bullen, Schweine und Hühner zu besichtigen. An Marktständen kann man allen möglichen Krimskrams kaufen. Deftigstes Essen, wie Eisbein, Pferdebockwurst und -buletten sorgen für den prallgefüllten Magen und Bier, Kaffee und Kuchen, Linedance und Kinderkarussells heben die Wochenendstimmung noch einmal an.

 

In Wirklichkeit ist das Landleben gar nicht so prickelnd, findet Maja. In den Jahren, in denen sie hier leben, haben sie kaum Kontakt zu den echten Landleuten gefunden. Aber was soll es, auf dem Land dauert Vieles etwas länger und die wunderschöne Natur ringsum ist ein Ausgleich zu den Bindungen, die sie erwartete aber bis jetzt nur spärlich fand.

 

Ohne lange zu überlegen setzte sie sich gleich ins erste Viererabteil. Ihr gegenüber sitzt eine Frau, sie schätzt, dass sie beide ungefähr im gleichen Alter sind. Maja ist etwas irritiert, denn die Frau nimmt keinerlei Notiz von ihr. Fast ist ihr etwas mulmig und sie bereut schon, sich nicht in ein noch leeres Abteil gesetzt zu haben. Gut, dann eben nicht, denkt sie sich. Schließlich kann sie die dreißigminütige Fahrt auch damit verbringen, sich durch das Fenster die Landschaft zu besehen. Versteckt hinter ihrer Sonnenbrille wirft sie den einen oder anderen Blick auf die andere, ohne dass sie es bemerkt. Eine eigenartige Stimmung geht von der Frau aus. Sie schnieft als ob sie mit ihren Tränen kämpft. Tatsächlich - sie schluchzt ganz leise vor sich hin. Was macht sie so traurig? Was ist ihr an diesem Morgen passiert, dass sie so erschüttert ist? Ist sie enttäuscht? Vielleicht hatte sie Streit und ein Wort gab das andere und nun liegt daheim alles in Scherben? Ist jemand schwer erkrankt? Maja schaut wieder hinter ihrer Brille auf die Frau gegenüber. Sie sieht eigentlich recht robust aus, wie sie so dasitzt mit ihrem Sonnenhut aus hellem Stoff, den knielangen beigefarbenen Sommerhosen und den Turnschuhen. Eine Frau, bei der man denkt, dass sie nichts so leicht erschüttert. Das schwarze breite Lederarmband und die massigen Silberringe unterstreichen noch diesen Typ. Maja schickt nun einen Blick über den Brillenrand hinüber aber ihr Gegenüber zeigt keine Reaktion. Sie möchte sie trösten. Die Frau schnieft leicht und schaut durch das Fenster in die Ferne. Dann eben nicht denkt Maja erneut. Auf dem Tischchen unter dem Fenster steht eine kleinere Umhängetasche aus leichtem Stoff. Sie ist recht praktisch zum Wandern und für die Freizeit schätzt Maja. Am Reißverschluss ist eine rosa Hundeleine befestigt und um den Gurt ist ein rot-weiß gemustertes Tuch geknotet, wie man es oft bei Hunden um den Hals gebunden sieht. Merkwürdig - hier ist aber kein Hund. Die Frau ist sehr traurig und trägt Hundeutensilien mit sich herum, obwohl kein Hund zu sehen ist. Plötzlich glaubt Maja den Grund für die Trauer der anderen erahnen zu können. Hier muss sicher etwas Schlimmes mit ihrem Hund passiert sein. Die Thermotüte zwischen den Füßen der Frau fällt ihr erst jetzt auf. Sie ist so prall gefüllt doch irgendwie auch weich. Was ist da drinnen? Da ist doch nicht etwa …? Oh nein, das gibt es doch nicht. Das ist doch unmöglich. Was ist schon unmöglich?

 

Vor Maja läuft jetzt ein Film ab, in dem die Frau mit ihrem Hund frühmorgens aus der Stadt gekommen ist, um den Hund dem auf dem Landwirtschaftsmarkt praktizierenden Tierarzt vorzustellen, der bei dem Tier eine sehr schwere Krankheit diagnostizieren musste und ihr sicher vorschlug, es einzuschläfern. Worauf sich die Frau einließ, um dem Tier weitere Qualen zu ersparen. Jetzt ist sie auf dem Heimweg. Geblieben sind ihr die Hundeleine, das Tuch und der Hundekadaver, den sie nun eingepackt in einer Thermotüte mit zu sich nach Hause nimmt. Sicher will sie ihn später auf dem Tierfriedhof in der Stadt mit seinem Tuch und der Hundeleine beerdigen. Die kleinen Gräber dort sehen alle recht anrührend aus, neben Blumen geschmückt mit allerlei Spielzeug, womit die Verstorbenen zu Lebzeiten sicher fröhlich herumtollten. Hier sind geliebte Wesen von Erden gegangen. Das haben Maja und ihr Mann gespürt, als ein Sonntagsspaziergang sie früher einmal über einen solchen Friedhof führte. Jedes Grab war gepflegt und liebevoll herausgeputzt.

 

Die Frau muss Majas Blicke bemerkt haben. Sie kneift die Kunststoffverschlüsse des Thermobeutels fester zusammen.

 

Warum hatte sich die Frau allein auf den Weg gemacht? Sie wusste doch nicht, was auf sie zukommen würde. Hätte sie es geahnt, dann wäre sie bestimmt mit dem Auto gefahren und hätte sich Unterstützung mitgenommen. Den toten Hund hätten sie dann in den Kofferraum gelegt. Das brächte auch etwas mehr Abstand in dieser Situation. Es ist doch schlimm, wenn man den eigenen toten Hund im Thermobeutel mit dem Zug und vielleicht noch mit der Straßenbahn durch die Gegend tragen muss. Die Ärmste, sie hat es wirklich nicht leicht.

 

Der Zug hält, es ist die Endstation, an der Maja und alle Reisenden aussteigen müssen. Während der Fahrt ist sie der Frau gegenüber immer näher gekommen und sie beschließt die Brille abzunehmen und ihr zum Abschied einen ermutigenden Blick zuzuwerfen. Dafür gibt die andere Maja ein freundliches Lächeln zurück. Mit einem guten Gefühl geht sie zur Tür. Plötzlich ist da ein kleiner Hund, der im Gang an Taschen schnüffelt. Maja ist erst irritiert, dann aber fällt ihr ein Stein vom Herzen. Sie sieht den großen Spalt zwischen Waggon und Bahnsteig und denkt: Fall bloß nicht da hinein!

 


Kytta

Kytta

Kyttas Familie lebt seit mehreren Generationen schon in der gleichen Gegend. Ihre Vorfahren sind Nebelkrähen, die mal hier und mal dort lebten - je nachdem, wo sie ein gutes Futter fanden. Mal saßen sie auf den hohen Alleebäumen, mal auf den Bäumen am See. Im Winter zogen sie sich oft in die Stadt zurück. Dort war es in der kalten Jahreszeit geschützter und sie fanden auch so manchen  weggeworfenen Leckerbissen.

 

 So hatte es ihr der Vater abends, als der Schlaf nicht kommen wollte, erzählt und er hatte es wieder von seinem Vater erfahren. Das waren die Einschlafgeschichten der Alten.

 

Seit einigen Jahren jedoch blieben sie am gleichen Ort. Nicht an irgendeinem, nein, sie hatten sich auf den Bäumen in der Nähe eines Hauses mit einem kleinen Garten niedergelassen. Dort lebten plötzlich zwei Enten, eingesperrt in einen kleinen Garten. Laufenten mit langen Hälsen - zwei eitle Gesellen, die es sich leisten können, den Tag mit choreografischen Einlagen unterbrochen durch Vormittags-, Mittags- und Nachmittagsschläfchen zu verbringen. Für die Nacht werden sie in einen Holzverschlag gesperrt. Ihr Futter bekommen sie in einem Napf gereicht, nicht wie unser einer, der es sich suchen muss und Wasser wird für sie jeden Morgen frisch in einem Topf zum Saufen gefüllt und als wäre das nicht schon der pure Luxus für uns Wildtiere, gibt es als Praline noch jeden Tag, Sommer wie Winter, einen extra Entenpool mit frischem Wasser zum Baden. Meine Vorfahren hatten diese wunderbaren Bedingungen für sich entdeckt und beschlossen, dass sich mit etwas Geschick an dem Luxus teilhaben lässt.

 Wir sind nicht die einzigen, die in diesem Garten Eden leben, doch ich denke, wir sind die Cleversten. Da schauen wir schon mal auf die Elstern, die Amseln, die Spatzen und die Meisen herab. Wir sind die Größten. Keiner kann die eitlen Enten so gut austrixen wie wir. Morgens schon, bevor der Futternapf gefüllt wird, sitzen wir hoch auf und warten, bis es losgeht. Vater sitzt auf der Thuja, Mutter auf der Tanne und ich warte auf dem Dach. Mutter sagt, ich soll nicht so ungeduldig sein. Eine Krähe muss warten, bis der richtige Moment gekommen ist, das ist wichtig - ebenso die Haltung und Konzentration aber ich habe schon Hunger und will fressen. Irgendwann geht es endlich los. Die Herrschaft kommt aus dem Haus und es gibt Körner und Wasser. Manchmal weichen sie sogar köstliche Brotwürfel ein. Dann sind Vater und Mutter ganz schnell, denn es bleibt nur wenig Zeit zum Laben, weil gleich danach der Stall geöffnet wird und die Enten keinen von uns am Bufett dulden. Es gibt Tage, da müssen wir ihren Vormittagsschlaf abwarten, um ein spätes Frühstück zu halten. Doch  mit etwas Geschick bekommt unsereiner, was er will. Dann arbeitet die Familie gut zusammen. Vater macht sich am Futternapf zu schaffen, was ihm die Enten nicht erlauben wollen und einer der beiden stürmt auf ihn zu und vertreibt ihn mit seinem großen Schnabel. Vater hopst immer wieder zum Futternapf und die Enten jagen ihn immer wieder weg. Aber Vater ist schlau. Er läuft durch den Garten und tut plötzlich so, als hätte er weit hinten etwas ganz tolles gefunden. Das interessiert die Enten und sie wollen schauen, was er gefunden hat. Sie denken immer, es wäre ihr Garten. Aber Vater hat nichts - er blufft. Er ist ein guter Schauspieler. Die Enten interessieren sich nur noch für ihn. Nun kommen Mutter und ich zur Futterstelle geflogen. Wir fressen erst mal in Ruhe. Es dauert eine Weile bis die Enten bemerken, dass wir sie ausgetrixt haben. So gut können nur wir Krähen das.

 

Ich denke, wir kommen auch gut mit der Herrschaft klar. Wir sind nicht so lästig, wie die tschack-Elstern und wir rauben auch keine Nester mehr aus. Das haben wir gar nicht nötig. Von uns aus kann alles so bleiben, wie es ist.

 

Letzten Winter war es einmal ganz heikel. Danach hätten wir leicht vor dem „Aus“ stehen können, erzählte Mutter.

 

Es war an einem trüben Wintertag. An solchen Tagen lässt das Futter oft lange auf sich warten. Erst wenn es richtig hell ist, öffnet sich die Tür vom Haus und die Herrschaft erscheint, um in einer knallroten Jacke die Waschküchentür zu öffnen und das Futter zu holen. An diesem besonders trüben Tag tat sich ein Problem auf. Nicht nur die Krähen hatten Hunger, sondern auch der Fuchs. Er hatte sich schon lange auf der Wiese hinter dem Garten in einer Rasenkuhle auf die Lauer gelegt. Meine Eltern und die anderen Krähen, denen sie sich gelegentlich im Winter anschließen, haben ihn beobachtet. Sie ahnten, dass es ein Fiasko geben würde, wären die Enten erst einmal im Garten. Vielleicht ging es ihnen auch ein bisschen um die Enten, mit denen sie mitunter ihren Schabernack treiben. Aber am besorgtesten waren sie um ihr Futter, was mit den Enten aus dem Garten verschwinden würde. Sie mussten der Herrschaft im roten Anorak andeuten, dass hier Gefahr droht. Möglichst heftig, dass sie es auch merkt. Die Krähen führten ein solches Spektakel auf, dass die Rotbejackte sofort merkte, dass dort etwas im Gange war und dass dem Fuchs von dem Getöse ganz mulmig wurde und er den Platz verließ. Der Plan ging auf, die Rotbejackte ging ins Haus. In der Zwischenzeit hatte sich der Fuchs wieder auf die Lauer gelegt. Plötzlich war sie mit einem Fernglas wieder zurück. Sie traute wohl den eigenen Augen nicht. Nun musste die Krähen wieder ran, um dem Räuber erneut den Plan zu vereiteln. Mit allen Kräften führten sie den reinsten Hexentanz auf, bis der Fuchs endlich aufgab. Ein Schwarm verfolgte ihn noch bis zum Waldrand. Die  Rotbejackte ließ die Enten erst zu Mittag aus dem Stall. Für die Krähen bedeutete das, Futter satt und baden ohne Zwischenfälle.

 

So haben wir uns im Laufe der Zeit einen guten Namen gemacht - keiner wirft uns mehr vor, dass man uns zu den Singvögeln befördert hat. Dafür können wir auch nichts, obwohl wir es uns mit unserem Charme bestimmt verdient hätten.